11. Tag
Heute Vormittag waren wir auf einem Treffen der Guardia Indígena in der Nähe von Popayán. Die Guardia Indígena sind die die unbewaffneten Selbstschutz-Einheiten der indigenen Gemeinden im Cauca. Wir hatten eine sehr kurze Anreise und kamen daher sehr früh an. Nach und nach kamen immer mehr Delegationen von Guardias an. Sie waren am frühen Morgen aus allen Teilen des Cauca aufgebrochen – einige kamen sogar den weiten Weg aus den territorios an der Pazifikküste. Gut, dass das Frühstück bereits fertig war als sie ankamen. So bildete sich an der Essensausgabe bald eine lange Schlange, ebenso wie am Obststand, den wir geholfen hatten aufzubauen.

In der Zeit bis zum Beginn des Treffens konnten wir uns kurz mit den Regional-Koordinatoren der Guardia Indígena treffen. Sie sagten uns, wie wichtig die von uns mit dem Kaffeeverkauf generierten Gelder für die den Prozess der Guardia ist. Viel Zeit blieb allerdings nicht, bis das Treffen begann, und so verabredeten wir uns für den nächsten Morgen, das Gespräch in Popayan fortzuführen.
Die Delegationen der Guardia hatten Aufstellung genommen. Insgesamt waren rund 750 Frauen, Kinder, Alte und Männer anwesend – das verdeutlichte uns eindrücklich, dass die Guardia ein Basisprozess der gesamten Gemeinde ist und, wie einer der Redner*innen es ausdrückte „das Herz und das Rückgrat“ der Bewegung. Es sprachen nacheinander die Koordinator*innen der 12 Zonen und die Regional-Koordinator*innen sowie anwesende Mitglieder des obersten Rates des Cauca.
Anschließend durften wir das Wort an die Anwesenden richten. Wir lasen eine Erklärung (Spanisch / Deutsch) vor, in der wir der Bewegung unsere Solidarität und unseren Schmerz angesichts der Gewalt, die sie erfährt ausdrücken und in der wir den 15 Menschen gedenken, die 2024 ermordet wurden, während sie eine Funktion für ihre Gemeinden ausfüllten – viele von ihnen waren Guardias Indígenas.

Nach den Reden kam dann der Sport dran: Es wurde Fußball gespielt. Leider verpassten wir die Gelegenheit ein eigenes „deutsches“ Team zusammenzustellen, denn wir hatten eine Verabredung mit den Koordinator*innen der Jugend-Abteilung des CRIC.
Wir waren sehr begeistert von der Aufgeschlossenheit und dem Selbstvertrauen der jungen Menschen. Es ist immer wieder bewundernswert, wie gut hier sehr viele ohne Aufzeichnungen frei reden können und den Bogen spannen, um, ohne sich inhaltlich zu verheddern, zum Ziel zu kommen. Sie berichteten uns von ihrer Arbeit und wir tauschten uns auch über unsere Erfahrungen zu freier Jugendarbeit in Hamburg aus. Sie berichteten von ihren Erfolgen, scheuten sich aber auch nicht Probleme mit der älteren Generation anzusprechen. Dabei ging es auch darum, dass sie den Eindruck haben, ihre Stimme wird nicht genug gehört, sowie um Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Geschlechteridentitäten. Beim anstehenden 54. Jahrestag der Gründung des CRIC haben sie nicht viel Zeit zugesprochen bekommen. Halb im Scherz sagten sie daher, dass sie das Mikro einfach ergreifen werden, um ihre Sichtweisen mit der Bewegung zu teilen.

Später kamen wir wieder auf den traurigen Punkt der Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen durch die bewaffneten Gruppen in manchen Teilen des Cauca – eine Realität, die dazu führt, dass jedes Jahr hunderte jungen Menschen in Särge in ihre Gemeinden und zu ihren Familien zurück kommen.
Begeistert von der Energie der Jugendlichen aber auch den Kopf voller weiterer Fragen und sehr nachdenklich über das Gehörte machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach „Hause“, auf die Finca. So hatten wir wieder jede Menge Gesprächsstoff die Rückfahrt und die tägliche Nachbesprechung am Abend.