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Kolumbien: Ehemaliger Koordinator der Guardia Indígena des Cauca ermordet

Hier ist Albeiro Camayo zu sehen, ein Koordinator der Guardia Indigena im CaucaLas Delicias, Cauca. Am 24 Januar ist Albeiro Camayo im indigenen Selbstverwaltungsgebiet Las Delicias ermordet worden. Kräfte der bewaffneten Gruppierung Columna Móvil Jaime Martínez drangen in das Gebiet ein, bedrohten die Bevölkerung und erschossen den 42-jährigen hochgeschätzten Gemeindeaktivisten und Menschenrechtsverteidiger.

Diese Gruppierung bedroht seit einigen Jahren das Selbstverwaltungsgebiet, das im Indigenen Regionalrat des Cauca CRIC organisiert ist. Die abtrünnige Einheit der ehemaligen Farc-Guerilla erkennt den 2016 geschlossenen Friedensvertrag nicht an, sie wird als im Dienste der Drogenmafia stehend angesehen.

Camayo war bis 2021 einer der Koordinatoren der Guardia Indígena des Cauca. Seit ihrer Gründung spielte er eine zentrale Rolle bei Aufbau und Entwicklung dieses zivilen, unbewaffneten Selbstverteidigungsmechanismus der indigenen Gemeinden in diesem Landesteil. Mit ihr schützt die Bevölkerung sich und ihr Land gegen staatliche und nichtstaatliche Gewaltakteure.

Camayo ist bereits der zehnte Aktivist, der seit Jahresbeginn in Kolumbien ermordet wurde – und der 1.296-igste seit dem Friedensabkommen 2016. In Las Delicias waren zehn Tage zuvor Guillermo Chicame, ebenfalls Guardia Indigena, und David Cucuñame, Teil der Jugend-Guardia, von derselben bewaffneten Gruppe getötet worden. Ende November erschossen sie Marcos Camayo, ehemaliger oberster Repräsentant des Selbstverwaltungsgebietes und Bruder von Albeiro. Hunderte indigene Amtsträger:innen sowie Mitglieder der Guardia Indígena wurden in den letzten Jahren bedroht und ermordet (amerika21 berichtete).

Zur Beerdigung von Camayo kamen mehrere hundert Menschen in Las Delicas zusammen, unter ihnen viele Guardias und Repräsentant:innen der Bewegung. Sie ehrten den Nasa-Indigenen, der seit seiner Kindheit in der Guardia Indígena aktiv war, für seinen unermüdlichen Einsatz zum Schutz der Gemeinden und des Landes. Gleichzeitig setzte die indigene Bewegung ein entschlossenes Zeichen, die Bevölkerung von Las Delicias zu unterstützen.

In einer Erklärung prangerte die Bewegung „die dramatische humanitäre Lage im Norden des Cauca“ an, „verursacht durch die Kämpfe von legalen und illegalen bewaffneten Gruppen und ihre systematischen Angriffe auf unsere Gemeindemitglieder, Amtsträger und insbesondere Guardias Indigenas“. Sie verurteilte die Columna Móvil Jaime Martínez als „Mörderbande bezahlt vom Drogenhandel“. Gleichzeitig machte sie die Regierung von Iván Duque sowie die mit ihnen verbundenen politischen und wirtschaftlichen Eliten für die Lage verantwortlich. Ihre Agenda sei es, den Friedensvertrag „zu zerreißen“, um „den Krieg als Grundlage ihrer Politik und ihrer Gewinne fortzuführen“. Für einen wirklichen Frieden brauche es soziale Investitionen, Landumverteilung und die Umsetzung von getroffenen Vereinbarungen.

Die Regierung eröffnet ehemaligen Kämpfer:innen keine wirtschaftliche Perspektive, sodass viele sich nun der Drogenwirtschaft andienen. Die extrem ungleiche Landverteilung und die Marktstrukturen wurden nicht angetastet, wodurch Koka und Marihuana oft die einzigen rentablen landwirtschaftlichen Produkte sind.

Die Gemeinden sehen sich als Zielscheibe, weil sie sich mit ihren selbstverwalteten Strukturen und zivilen Mitteln gegen den Missbrauch ihres Landes durch bewaffnete Gruppen stemmen. Diese rekrutierten außerdem Jugendliche aus dem Gemeinden, nutzten damit die ökonomische Marginalisierung aus und zielten auf deren Spaltung ab. Aber auch Armee und Polizei respektierten die Rechte und das Leben der Gemeinden nicht.

03.02.2022 von Martin Mäusezahl erschienen auf www.amerika21.de

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https://amerika21.de/2022/02/256678/kolumbien-koordinator-guardia-indigena

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Interview mit Eliseth Peña zur indigenen Guerilla Quintín Lame

Bei der mündlichen Überlieferung geht vieles verloren

Interview mit Eliseth Peña, Regisseurin des Films „Der letzte Kommandant der Quintines“

Eliseth Peña (Jahrgang 1991) ist kolumbianische Journalistin und nur durch Zufall darauf gekommen, dass ihre Eltern der ersten indigenen Guerilla Lateinamerikas angehörten. Das Movimiento Armado Quintín Lame war im Cauca, der Region im Süden Kolumbiens, aktiv. Dessen Geschichte und damit auch die ihrer Eltern hat sie filmisch rekonstruiert.

Ein Interview von Knut Henkel

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Mitschrift eines Reiseberichtes aus den Kaffee-Anbaugebieten im Cauca, Kolumbien

September 2020


Unser companero Martin von Aroma Zapatista war im Herbst 2019 für mehrer Wochen im Cauca in Kolumbien unterwegs, bei den Gemeinden der CRIC, die den Rohkaffee anbauen den Aroma Zapatista importiert und wir rösten. Martin hat uns dazu eingeladen, seinen Reisebericht anzuhören, um mehr über den Lebensumstände und die lokalen Kämpfe der Kaffeebäuer*innen zu erfahren.

Ende 2019 gab es in Kolumbien breite soziale Proteste gegen die Regierungspolitik und viele Morde und Gewalt gegen politische Aktivist*innen, es gibt durchschnittlich pro Tag eine*n Ermordete*n. Nach wie vor hängt die große Gewalt mit dem Anbau von und dem Handel mit Drogen zusammen, aber auch Waffenhandel, Schutzgelderpressungen und illegaler Bergbau sind sehr präsent und schaffen ein Klima, dass für viele Aktivist*innen lebensbedrohlich ist.

Die Region Cauca ragt da noch mal raus, da hier im sehr großen Maße illegale Drogen angebaut werden, vor Allem Schlafmohn, Coca und Marihuana. Dadurch sind Drogenkartelle in der Region sehr präsent und versuchen auch die großen Handelsrouten unter Kontrolle zu halten. Die CRIC, die selbstorganisierte Dachorganisation der Indigenen in der Region ist den Kartellen ein Dorn im Auge, da sie die Vormachtstellung der Kartelle nicht akzeptieren wollen, ihre Gebiete selbst verwalten und den Drogenanbau und -handel unterbinden wollen – deshalb sind sie besonders betroffen von Gewalttaten von Seiten der Kartelle. Seit einiger Zeit haben die Mitglieder der indigenen Bewegung CRIC zum Beispiel entschieden, in der Öffentlichkeit keine Abzeichen und/oder Symbole zu tragen, die ihr Zugehörigkeit erkennen lassen, weil sie dadurch zu Angriffszielen für bewaffnete Gruppen werden. Martin hat das während seiner Reise stark zu spüren bekommen, so wurde er als internationaler Gast auch deutlich stärker geschützt als früher und bei Fahrten im Auto hinter dunklen Scheiben versteckt. Die Sicherheitslage spitzt sich zu.

Allerdings ist die Situation sehr komplex; es gibt durchaus indigene Kleinbäuer*innen, die Drogen anbauen. Viele leben in prekären Lebensverhältnissen und der Anbau von Drogen bringt ein vielfaches des Geldes ein, was sich mit anderen landwirtschaftlichen Produkten erzielen lässt. Für einige ist das die einzige Möglichkeit, ein auskommen zu haben und den eigenen Kindern eine Zukunft zu bieten. Gleichzeitig gibt es auch Mitglieder der indigen Gemeinschaften, vor Allem junge Leute, die sich den bewaffneten Gruppen anschließen und sich an Gewalttaten und Drogenhandel beteiligen, weil es in den Gemeinden nicht viele Joboptionen gibt. Diese schwierige Situation sorgt auch innerhalb der Bewegung für Konflikte.

Kolumbien hat eine Vergangenheit, die sehr Stark von bewaffneten Konflikten geprägt ist; seit über fünfzig Jahren gibt es Kämpfe zwischen Guerillas, wovon die FARC die größte und bekannteste ist, und der Regierung. Außerdem gibt es paramilitärische Gruppen, die ursprünglich meist die Interessen der Regierung oder der reichen Elite unterstützt haben, zunehmend aber auch eine eigene Agenda verfolgt haben. Vor einigen Jahren wurde ein lange geplanter Friedensprozess eingeleitet, in dessen Rahmen die FARC zum größten Teil demobilisiert wurde. Zwar ist dieser Friedensprozess sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung und wurde auch von einem Großteil der Kolumbianer*innen befürwortet; Die Gewalt hatte damit allerdings kein Ende, sie nimmt in den letzten Jahren eher wieder zu. Es reicht offensichtlich nicht, nur einen Teil der bewaffneten Gruppen zu entwaffnen, wenn rechte Paramilitärs und Drogenkartelle weiterhin mit Waffengewalt ihre Interessen durchsetzen und wenn es außerdem kein Konzept gibt, um die sozialen Probleme des Landes auf friedliche Weise zu bewältigen.

Auch im Cauca sind die verschiedensten bewaffneten Gruppen weiterhin aktiv; die Paramilitärs und bewaffneten Gruppen arbeiten sowohl mit dem regulären Militär als auch mit den narcos, also den Drogenbanden zusammen; auch die ELN, die größte übriggebliebene Guerilla ist in das von der FARC hinterlassene Machtvakuum, vorgestoßen und ist im Cauca aktiv. Zwar bedrohen all diese Gruppe die indigene Gemeinden in ihrer Autonomie und verüben Verbrechen gegen die Menschen. Trotzdem sind die Gruppen nicht miteinander gleichzusetzen, die ELN ist anders in der Gesellschaft verwurzelt und verfolgte grundsätzlich mal eine sozialen Agenda für die Menschen. Während die ELN im Cauca keine lange Tradition hat, ist sie in anderen Regionen Kolumbiens, vor Allem an der Grenze zu Venezuela politisch noch sehr stark verankert.

Auf seiner Reise hat Martin mehrere indigene resguardos besucht. Die resguerdos sind erkämpfte Selbstverwaltungsgebiete der indigenen Bewegung. In diesen Gebieten leben derzeit an die 260.000 Menschen. In diesen Gebieten organisieren die indigenen viel der Infrastruktur selbst, außerdem haben sie einen eigenen Zusammenschluß von Produzent*innen gegründet, die CENCOIC. Die Cencioc produziert auch den von uns verarbeiteten Kaffee. In der CENCOIC sind ca. 3000 Menschen organisiert, sie verteilen sich auf zwanzig Produzent*innengruppen in 18 resguardos. Bisher ist es so, dass meist der Ehemann/ Familienvater Mitglied der CENCOIC ist und somit auch die Einnahmen bekommt. Das soll sich jetzt aber ändern und auch Frauen werden Mitglied und können so dann eigene Einnahmen generieren. Es gibt keine eigene Frauenkooperative aber es gibt Kaffee, der nur auf Feldern angebaut wurde für die Frauen die Verantwortung tragen und der dann geblendet und extra vermarktet wird. Mit dem Kauf dieses Kaffees können dann explizit die sich selbst organisierenden Frauen unterstützt werden.

Die CRIC hat viel erreicht, sie befindet sich gerade aber auch in einer schwierigen Situation; Es gab vor kurzem zwei schwere Mordanschläge auf Mitglieder der guardia indigena mit insgesamt 10 Toten. Die Guardia Indigena sind die Selbstverteidigungskräfte der rescuardos, ein unbewaffneter ziviler Selbstschutz. Die guardia indigena hat ein paar mal Drogentransporte aufgehalten und beschlagnahmt und sind damit noch stärker zum Ziel der Drogenkartelle und bewaffneten Gruppen geworden. Viele haben sich aus Angst aus der guardia indigena zurückgezogen, um nicht selber Opfer von Mordanschlägen zu werden. Die Mordanschläge haben die Bewegung stark verunsichert.

Viele in der Bewegung wünschen sich, vom Drogenanbau wegzukommen und alternative Strukturen aufzubauen, die sie unabhängiger vom Drogengeschäft machen. In einigen Rescuardos wurden Kokaplantagen zerstört und Kokaanbau verboten. Wie schon oben genannt gibt es aber auch eine interne Spaltung, weil manche, vor allem jüngere Leutre gerne Koka anbauen wollen. Tagelöhner auf Kokaplantagen verdienen das vier- bis fünffache als Tagelöhner auf Kaffeeplantagen. Die CRIC versucht Alternativen aufzubauen, um ökonomische Auswege aus Drogenanbau zu entwickeln. Es gibt eine eigene indigene Universität, eine Reisfabrik, eine Saftmanufaktur, eine Zuckerfabrik und andere versuche sich ökonomisch diverser aufzustellen.

In El Mesón hat die Gemeinde beschlossen, nach Rückzug der FARC eine eigene Schule aufzubauen und eigene Konzepte und Lehrinhalte eingeführt. Es gibt keinen Frontalunterricht mehr, sondern verschiedene Themenbereiche werden im Unterricht miteinander verwoben. Der Staat bezahlt die Schule noch. Viele der Schulabgänger_innen sind mittlerweile selber Lehrer_innen geworden.

Weiterlesen zu diesem Thema könnt ihr in folgenden Artikeln:
Wir sind Träumer*innen:
https://www.contraste.org/wir-sind-traeumerinnen/

Kaffee oder Koka? Selbstbestimmtes Wirtschaften als Alternative zur Drogen- und Gewaltökonomie:
https://www.graswurzel.net/gwr/2020/06/kaffee-oder-koka/