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12. Tag


Heute hatten wir mehr Zeit für einen Austausch mit der Koordination der Guardia Indígena. Die Guardia Indígena ist ein unbewaffnetes kollektives Schutzsystem, in dem tausende Frauen und Männer ehrenamtlich ihre Gemeinde und ihre Rechte schützen. Ausgerüstet sind sie dabei nur mit einer Weste und dem bastón, einem symbolischen Holzstock. Basierend auf der indigenen Gesellschaftsweise, aus der sie ihre Stärke zieht, ist die Guardia Indígena ein vielfältiger und umfassender Gemeinschaftsprozess: Neben dem Schutz vor Bedrohungen von Außen, stärken sie auch den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinden. Sie kümmern sich um die Bearbeitung interner Konflikte, unterstützen die Selbstverwaltung, machen politische Bildung, stärken die indigene Kultur und sind auch für den Schutz der Natur zuständig. Unser Treffen fand in der großen Halle der Medizinabteilung der CENCOIC in Popayán statt, die aktuell fast leer steht.

Da wir von heute keine Fotos zum Treffen mit der Guardia haben, noch ein paar Fotos vom guardia-Treffen gestern – hier: Fabian und José Oveimar blicken auf die Aufstellung nehmenden Guardias

José Oveimar Tenorio, der politische Koordinator der Guardia, teilte mit uns ihre Analyse des politischen, ökonomischen, militärischen und medialen Kontexts der indigenen Gemeinden des Cauca, die für sie eine wichtige Basis ihres Handelns ist. „Ökonomisch sind wir den verschiedenen Formen des Extraktivismus verbunden mit neoliberalen Politiken ausgesetzt: Monokulturen von Zuckerrohr, Ölpalmen und Holz in den Händen von Monopolen, Bergbau, der Anbau von Pflanzen, aus denen illegale Drogen hergestellt werden können, die Rekrutierung junger Menschen für die bewaffneten Gruppen. Die Folge von all dem ist, dass wir erneut eine Invasion unserer Gebiete erleben – und wir als Guardia Indígena müssen schauen, wie wir dem begegnen. … Der militärische Kontext ist, dass im Cauca verschiedene militärische Strukturen existieren. Es sind bewaffnete Gruppen ohne eine politisch-ideologische Haltung, sie dienen ausschließlich der Drogenwirtschaft und den Gegnern des Friedens und der sozialen Bewegungen. Sie ermorden Dutzende indigene Amtsträger, Dorfälteste, Guardias, sie rauben uns unsere Jugend… Wir sehen, dass es einen Plan zur physischen, politischen und kulturellen Vernichtung der indigenen Bevölkerungsgruppen und der indigenen Bewegung des Cauca sowie der Guardia Indígena gibt.“

Fabian Ulcue, der für die Koordination der Guardia arbeitet, stellt uns anschließend die Grundsätze der Guardia vor: „Die Guardia ist ein kollektiver Prozess, sie ist sehr partizipativ, es nehmen Jungen, Mädchen, Alte, Jugendliche, Frauen, Männer, ob studiert oder nicht, egal welcher Glaubensrichtung teil. Die Guardia bringt die gesamte Gemeinde zusammen. Wir lachen und fühlen gemeinsam, wir nehmen Anteil aneinander, und wir weinen gemeinsam – denn wir haben viele Genossen und Genossinnen von der Guardia verloren, die an unseren Prozessen teilgenommen haben und ermordet wurden. … Unsere Mission ist klar: Unser territorio und das Leben verteidigen, in dem wir den Frieden schützen und aufbauen. Wir sind auch da, wenn es Naturkatastrophen gegeben hat oder wenn es darum geht, ein verletztes Mitglied einer bewaffneten Gruppe oder der Armee zu bergen und vor dem Zugriff einer anderen Gruppe oder der Armee zu schützen – wir Verteidigen das Leben, wir sind ein humanitärer Akteur, keine Konfliktpartei.“

Angesprochen auf unsere Arbeit mit der CENCOIC und der Guardia sagte Fabian: “Dass ihr den Kaffee von den compañeros der Guardias und insbesondere von den Frauen in der Guardia kauft, ist sehr wichtig. Das gibt ihnen wenigstens ein ausreichendes Auskommen und die Motivation weiter zu machen mit der Guardia. Die Drogen- und Kriegswirtschaft will unsere Gemeinden zerreißen und uns unsere Jugendlichen wegnehmen. Es ist wichtig, dass wir als Guardia da etwas entgegen setzen können.” Wir sprachen dann auch noch konkret über die letzten fünf Jahre unserer Zusammenarbeit, die gemeinsamen Prozesse rund um die Gelder für die Bewegung, die die Guardia erhält, und wie es weiter gehen kann.

Auch von der Guardia erhielten wir tolle Geschenke für unsere jeweiligen Kollektivbetriebe: Gewebte Umhängetaschen, eines der zentralen Symbole der Bewegung, und die emblematischen Halstücher der Bewegung.

Im Anschluss ging es mit Hernan und Paola von der CENCOIC um den nächsten Import. Die CENCOIC machte uns den Vorschlag beim vereinbarten Preis aus dem Vorvertrag zu bleiben, obwohl der Rohkaffeepreis gerade extrem hoch ist. Normalerweise ist der Preis beim Vorvertrag nur ein Richtwert und wird beim Abschluss angepasst, damit wir die Risiken eines Einnahmeverlustes der CENCOIC bei steigenden Preisen abfedern können. Sie sagten, dass sie dies tun wollen, um uns in der schwierigen wirtschaftlichen Situation zu unterstützen. Diese Wertschätzung durch die CENCOIC ist nicht hoch genug zu bewerten und wir werden in den nächsten Wochen mit dem Kollektiv schauen, ob wir das Angebot annehmen wollen oder den Preis noch mal erhöhen werden.

In dem Gespräch ging es auch noch mal um andere Preismodelle, die alle Beteiligten noch besser vor den extremen Preisschwankungen an der Börse schützen. Zum Beispiel eine prozentuale Anhebung des Preises für Rohkaffee in jedem Jahr. Daran werden wir in Zukunft weiter arbeiten und schauen, ob wir eine gute gemeinsame Lösung finden.

Danach gingen wir ins Abschlussplenum mit allen anwesenden Mitarbeiter*innen der CENCOIC. Wir berichteten ausführlich, was bei La gota negra und Aroma Zapatista in den letzten Monaten passiert ist, welche Themen uns bewegten und besprachen dies mit der CENCOIC.

In einer feierlichen Abschlussrunde bedankte sich jede*r von uns persönlich für die Besuchsreise und teilten unsere Erfahrungen. Außerdem richteten Hernan, Lucia, Paola, Manuel und Juan Carlos das Wort an uns und wir bekamen noch mehr sehr schöne Geschenke überreicht, um den Cauca mit nach Hause und zu unseren Kollektiven zu nehmen.

Nach diesem sehr emotionalen Abschluss des inhaltlichen Programms gab es ein leckeres Abendessen und der Tanzabend wurde eröffnet…