
In den 10. Tag unseres Besuches starteten wir auf der Finca der Abteilung für die Frauen* des CRIC, dem „Programa Mujer CRIC“, mit einem Ritual zur Harmonisierung unter Leitung von Mayora Ortencia Dombe.
(mayora oder mayor werden die weisen, respektierten Gemeinde-Ältesten genannt)

Die Finca hat 35 Hektar und ist seit 2021 in der Hand der Frauen-Organisierung innerhalb des CRIC. Es ist ein weitläufiges, grünes Gelände. Hier betreiben sie Klein- und Großviehhaltung, bauen Gemüse, Kochbananen und vielerlei Heilpflanzen an. Dies geschieht zur Selbstversorgung der Abteilung – außerdem werden zusammen mit dem kolumbianischen Institut für berufliche Bildung SENA Kurse für Frauen aus den indigenen Gemeinden angeboten, um deren wirtschaftliche Selbstständigkeit zu stärken. Und mit den Heilkräuter wird die Verbindung der Frauen* zur Spiritualität belebt. In Zukunft wird hier auch Kaffee angepflanzt – dabei möchte auch das Team der CENCOIC gerne mit Wissen und Tat unterstützen.
Lest mehr zum Programma Mujer in diesem Artikel.

Mayer Sánchez, die Koordinatorin der Frauen-Organisierung des CRIC, und ihre Kolleginnen erzählen uns eindringlich das sie sich dafür einsetzen, dass Übergriffe auf Frauen ernst genommen und als „Notfall“ behandelt werden müssen, und dass es Nachforschung seitens der Selbstverwaltungsstrukturen sowie juristische Folgen geben muss, wenn Männer gewalttätig sind.
Neben vielen Treffen für Frauen, in denen sie sich austauschen, stärken und psychologisch sowie spirituelle Betreuung erhalten, initiierte die Frauen-Abteilung vor zwei Jahren eine Männerschulung, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen über die Ursachen und Folgen patriarchaler Strukturen in den indigenen Gemeinden. 40 Männer aus den verschiedenen anderen Strukturen des CRIc und den Selbstverwaltungen haben mitgemacht.
Es folgte ein Bericht von Natalia, die für die Beobachtungsstelle gegen Frauengewalt des Programa Mujer verantwortlich ist. Dafür werden Berichte von den Selbstverwaltungsstrukturen, der indigenen Krankenkasse sowie der lokalen Frauen-Gruppen zusammengetragen und systematisiert.

In unserem Gespräch gibt es viel Zeit für Nachfragen und Austausch. Gerade in Bezug auf die Kaffeeproduzierenden interessiert uns, wie wird das ökonomische Unabhängigkeit der Frauen gewährleistet wird. Meist haben die Männer die Landtitel. Es gibt generell viele wirtschaftlich orientierte Basisinitiativen von indigenen Frauen, dennoch ist es wichtig die Forderungen nach finanzieller Unabhängigkeit sichtbarer zu machen und die Initiativen zu vernetzen – hierzu gab es letztes Jahr das erste Vernetzungstreffen. Die Frauen-Abteilung des CRIC kämpft dafür, dass Frauen für ihre Arbeit ihren eigenen Lohn erhalten, normalerweise entscheidet der Mann über das Geld, bei Scheidungen haben Frauen wenig ökonomische Rechte.
Letztes Jahr hat auf der Finca der Frauen ein Vernetzungstreffen für indigene Frauen aus Abya Yala (der indigener Name für Lateinamerika) stattgefunden. Die Frauen erzählen, dass es eine super schöne und wertvolle Zusammenkunft war.
Das Programa Mujer CRIC macht außerdem sehr viel Öffentlichkeitsarbeit. In den letzten Jahren wurden drei Dokus produziert und auf internationalen Filmfestivals gezeigt. Themen sind „Frauen in der Guardia Indígena“ (siehe Berichte der nächsten beiden Tage), „30 Jahre Programa Mujer CRIC“ und „Frauen im CRIC“. Außerdem haben sie ein Radio-/Podcast-Serie gemacht. In jedem der 10 Folgen wird eine Form von Gewalt gegen Frauen anhand einer fiktiven Erfahrung dargestellt und anschließend politische Forderungen der Frauen formuliert.
Der Podcast wurde in den lokalen Radiosendern der Bewegung ausgestrahlt, die in den indigenen Gemeinden viel gehört werden. Von verschiedenen lokalen Selbstverwaltungen gab es daraufhin Kritik, dass die Themen zu hart und direkt angesprochen wurden und die Sendung zur Familien-Sendezeit ausgestrahlt wurde, das Programa Mujer aber sagte: es soll alle erreichen, deswegen ist eben genau diese Sendezeit gut.

Die Abschlussworte sprach Majora Ortencia Dombe: „Spiritualität ist sehr wichtig für indigene Gemeinden. Sie müssen ihre eigenen Wurzeln finden, nach innen schauen. Die Erziehung der Kinder muss sich ändern, um Machismo zu bekämpfen, wir müssen die Sachen aussprechen, um sie zu heilen, hier in der Finca der Frauen, haben viele Frauen auch alte Frauen, die noch nie über ihre Erfahrungen gesprochen haben, zum ersten mal darüber gesprochen und sich auf dem Weg der Heilung begeben. Das Reden hat sie bestärkt und zu den eigenen Wurzeln zurückgeführt.“

Zu Mittag aßen wir alle gemeinsam in einer wunderschönen Außenküche zwischen den Kuhwiesen mit weitem Blick über die Felder. Zum Abschied bekamen wir alle eine Flasche Wein, Kaffee, ein T-Shirt des Programa Mujer und ein CRIC-Halstuch geschenkt. Wir waren sehr gerührt von dieser Geste und machten ein schönes gemeinsames Abschlussfoto.

Am Nachmittag besuchten wir die am Stadtrand von Popayán gelegene bewegungseigene Interkulturelle Indigene Autonome Universität UAIIN. In der Tulpa, dem spirituellen Herz der Universität, erzählte uns Rosalba Ipia, eine der Koordinator*innen der Universität, sowie zwei der Mayores, die die Tulpa betreuen, von den Ursprüngen, dem Charakter und den Zielen dieser einzigartigen Institution.
Mehr dazu findet ihr in diesem Artikel und im Kurzfilm, den der Kommunikationsstudiengang über die Uni produziert hat.
